Wie wir aus der Blase ausbrechen

Es ist vollkommen natürlich. Wir umgeben uns mit Menschen, die uns ähnlich sind, konsumieren Inhalte, die mit unserer Meinung übereinstimmen und denken, dass unser Weg der richtige ist. Das fällt bereits auf, wenn wir die politische Denkweise in unserem persönlichen Umfeld betrachten. Wir sind in einer Blase, in der überwiegend unsere Meinung vertreten wird. Doch das betrifft nicht nur Felder wie Politik oder die Nachrichten, die wir konsumieren. Es beeinflusst unseren gesamten Alltag und speziell unsere Arbeitswelt. Inwiefern uns das ausbremst und wie wir aus unserer persönlichen Blase ausbrechen können, erfährst du in diesem Artikel.

Falsche Wahrnehmung

Betrachten wir kurz unsere eigenen Werte und Glaubenssätze. Sie sind für uns derartig plausibel, dass wir uns nicht vorstellen können, dass jemand, der sich ausreichend damit beschäftigt, anders darüber denken könnte. Wir sind also auf dem richtigen Weg.

Das bestätigt sich auch, wenn wir uns mit unserem persönlichen Umfeld austauschen. Unsere Meinung erscheint universell anerkannt.

Doch das liegt allein daran, dass wir ein verzerrtes Bild darüber haben, was für die Allgemeinheit als repräsentativ gilt.

Wir sehen nur einen kleinen Teil der Allgemeinheit, nämlich unser persönliches Umfeld. Und es gibt einen Grund, warum wir Teil von genau diesem Umfeld sind. Wir teilen gemeinsame Werte, haben ähnliche Interessen und streben vergleichbare Ziele an.

Das kann bereichernd und motivierend sein, wenn wir uns mit den für uns richtigen Menschen umgeben. Doch es birgt auch eine Gefahr, denn es verzerrt unser Weltbild.

Wir verfolgen Ziele und Statussymbole, die uns in genau dieser Gruppe zu Anerkennung und Bewunderung verhelfen.

Das merken wir in unserem Job, unserem Studium oder unserem Sportverein. Gefährlich wird das Ganze, wenn wir uns zu sehr auf eines davon fokussieren.

Wir fangen an, Dinge zu ernst zu nehmen, Menschen auf ein Podest zu stellen und Ziele verbissen zu verfolgen, die von außen betrachtet, völlig lächerlich erscheinen.

Unsere Persönlichkeit auf einem wackeligen Fundament

Mehrmals hatte ich Kontakt zu Sportlern, die ihr gesamtes Leben dem Sport opfern. All ihre persönlichen Kontakte stehen in Verbindung mit diesem einen Sport. Zeit für Freunde gibt es nicht. Ihre Freunde sind ja sowieso die Teamkollegen.

Doch was passiert, wenn sie den Sport nicht mehr ausüben können oder aufhören möchten, die Zeit zu investieren, um auf diesem Niveau mithalten zu können?

Man gibt damit nicht nur den Sport auf, den man liebt, sondern auch sein gesamtes soziales Umfeld und einen Teil seiner Persönlichkeit. Zwei erwachsene Sportlerinnen haben mich tatsächlich gefragt, wie man im Alltag Freundschaften knüpft, da sie das ihr ganzes Leben noch nie gebraucht haben.

Wer jetzt glaubt, das betrifft nur Sportler, irrt sich gewaltig. Genau dieselben Muster sieht man immer wieder in der Arbeitswelt und selbst an der Universität.

Auch wenn wir Freunde außerhalb unseres fokussierten Lebensbereichs haben, passiert es uns, dass wir zu sehr in unserer Arbeits- oder Studiumsbubble versinken.

In der Arbeit stellen wir Manager auf ein Podest und streben selbst danach, im Unternehmen aufzusteigen. Wir kennen die Führungspositionen genau und verhalten uns unterwürfig, wenn wir mit ihnen in Kontakt kommen.

Was wir dabei vergessen? Niemand außerhalb des Unternehmens hat auch nur irgendeine Ahnung, wer diese Personen sind, die wir auf ein Podest stellen. Und selbst wenn es sich um eine berühmte Person handelt, die landesweit bekannt ist, ist es bereits unwahrscheinlich, dass sie irgendjemand außerhalb des Landes kennt und schon gar nicht in den USA.

Gleiches gilt in der Blase der Universität. Jeder strebt nach Top-Publikationen, also danach ihre Forschung in den besten Journalen in ihrem Bereich zu publizieren und möchte dann dafür auch noch so oft wie möglich zitiert werden.

Alles dreht sich um Publikation und Zitation. In der Finanz gibt es die Top-3-Journals, in der Ökonomie die Top-5 und jeder Researcher möchte unbedingt dort publizieren. Dadurch, dass sie Tag ein Tag aus von Menschen umgeben sind, die genau das gleiche Ziel verfolgen, vergessen sie, dass 99 Prozent der Bevölkerung nicht einmal wissen, wie diese Journale heißen. Und niemand kennt die Starprofessoren, die sie so bewundern.

Was sie leider ebenfalls vergessen, ist wie viele Studenten sie positiv beeinflussen, für ihr Thema begeistern und ihr Leben prägen. Das sollte einen deutlich höheren Stellenwert besitzen. Doch wie überall spielen wir Statusspiele.

Arbeit und Universität sind nur zwei Blasen, die ich gut kenne. Es betrifft noch viel mehr Bereiche. Vielleicht bist du Triathlet und ordnest alles dem Sport unter oder du bist Musiker und möchtest um jeden Preis in einem bestimmten Orchester spielen.

Wenn wir uns nur über unsere Arbeit oder unseren Sport identifizieren, steht unser Leben auf einem verdammt wackeligen Fundament. Eine Krise im Unternehmen, ein persönlicher Fehler oder eine Verletzung kann uns den Boden unter den Füßen wegziehen.

Wir haben kein Netz, dass uns auffängt, also einen anderen Lebensbereich, der uns ebenfalls wichtig ist und Menschen, denen es völlig egal ist, welche Leistung wir erbringen.

Wir brauchen ein UND

Was wir brauchen, ist ein Perspektivenwechsel. Einen anderen Blickwinkel, der unsere Lebenssituation in ein gesünderes, realistischer Bild rückt. Wie erreichen wir das?

Wir müssen eine komplexe Persönlichkeit werden. Das heißt wir müssen auch Zeit in jene Bereiche investieren, von denen wir fälschlicherweise glauben, dass sie unabhängig von unserem Hauptfokus sind.

All unsere Lebensbereiche sind miteinander verwoben. Es geht nicht unsere Beziehung in die Brüche und die Leistung in unserer Arbeit bleibt unverändert. Unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden haben enorme Auswirkung auf unsere Leistungsfähigkeit. Auch unsere Gesundheit und unsere privaten Beziehungen verbessern sich, wenn es in der Arbeit gut läuft.

Doch für manche ist es schwierig nicht mehr jede freie Minute in die eine Sache zu investieren. Wir glauben, dass wir dadurch unproduktiver werden und zurückfallen. Allerdings bin ich überzeugt, dass eine gewisse Ausgeglichenheit und ein Ausbrechen aus der eigenen Blase uns nur noch leistungsfähiger macht.

Denn so schaffen wir es, Herausforderungen mit Freude und Leichtigkeit anzugehen, da plötzlich nicht mehr unsere Identität auf dem Spiel steht.

Es ist also enorm wertvoll breiter aufgestellt zu sein.

Ich bin Blogger (auch wenn das immer noch seltsam für mich klingt) UND Portfoliomanager UND Familienmensch UND Lektor UND Volleyballer UND Lebenspartner UND Doktorand UND Kraftsportler UND noch vieles mehr. Ich identifiziere mich nicht nur über einen einzigen Bereich meines Lebens.

Das hilft mir einen gesunden Blickwinkel zu behalten.

Läuft es mal schlecht in einem Bereich, investiere ich mehr Zeit in einen anderen. Würde ich mich beispielsweise verletzen, wäre es zwar hart, aber ich würde mir mehr Zeit für mich selbst nehmen, mehr lesen oder mehr Zeit ins Doktorat investieren.

Auch Rückschläge sind dadurch weitaus leichter zu verkraften.

Wird meine Forschung mal wieder von einem Journal abgelehnt ist das bitter, aber mir ist zumindest recht schnell bewusst, wie wichtig das Ganze tatsächlich für mein Leben ist.

Wir hören auf uns nur über einen Lebensbereich zu identifizieren.

Das ganze Thema wird mir auch häufig bewusst, wenn ich in meine Heimat fahre und Zeit mit der Familie verbringe. In der Stadt identifiziert man sich über seinen Job und seine Erfolge. Wenn ich nachhause komme, bin ich einfach nur der Cousin, Sohn oder Neffe. Es spielt keine Rolle was ich studiere oder arbeite. Wir haben einfach eine großartige Zeit zusammen. Genau das ist enorm wertvoll.

Falls du das Gefühl hast, dass dein Fokus zu eng gesteckt ist, versuche langsam auch Zeit in andere Lebensbereiche zu investieren. Probiere neue Dinge aus. Nur weil Du ein Experte oder eine Führungskraft in einem Bereich bist, heißt das nicht, dass du in einem anderen Bereich kein blutiger Anfänger sein darfst.

Und vergiss nicht, deine körperliche und psychische Gesundheit sollten immer ganz oben auf der Liste stehen. Du kannst deinen Mitmenschen nur helfen und deinen Erfolg genießen, wenn du auch dazu in der Lage bist.

Das Leben ist voller Möglichkeiten, mach das Beste daraus!

Weitere Artikel zu diesem Thema:

Werde eine komplexe Persönlichkeit”, “Du brauchst ein UND”, “Wähle dein Statusspiel weise” und “Stell niemanden auf ein Podest”.

Buchempfehlungen

The Big Leap – Gay Hendricks

The Second Mountain – David Brooks

Abschließend noch ein Zitat von Jim Rohn:

“If you don’t design your own life plan, chances are you’ll fall into someone else’s plan. And guess what they have planned for you? Not much.”

Hier eine Bücherliste, falls du auf der Suche nach neuen Büchern bist. Wenn du noch nie Hörbücher probiert hast, kann ich dir das Probeabo von Audible empfehlen. Kostet nichts, ist jederzeit kündbar und du kannst dir das Buch auch nachher noch behalten.

Über deine Anmeldung zum Newsletter würde ich mich enorm freuen.


Beitrag veröffentlicht

von