Jeder Wirtschaftsstudent lernt im einführenden VWL-Kurs vom abnehmenden Grenznutzen. Man stempelt es als etwas ab, dass sowieso logisch ist und fragt sich warum man das überhaupt lernt. Dabei übersieht man aber, wie extrem wichtig dieses Konzept im täglichen Leben ist.
Der Grundsatz ist ganz simpel. Je mehr man von etwas hat, desto weniger Nutzen bringt mir ein weiteres Stück davon. Das klassische Beispiel ist, ein Glas Wasser oder ein Stück Pizza. Hat man 3 Stunden Sport gemacht und nichts getrunken, wird ein Glas Wasser, eines der wichtigsten Dinge für dich sein. Hast du allerdings gerade einen Liter Wasser getrunken, wirst du nicht unbedingt ein weiteres Glass Wasser wollen. Genauso bei der Pizza. Ist man in der Nacht unterwegs, schmeckt das erste Stück himmlisch (speziell Kebap-Pizza), aber nach dem Punkt an dem man gesättigt ist, bringt einem ein weiteres Stück nichts mehr.
Dieses Prinzip wird als abnehmender Grenznutzen bezeichnet und ist vollkommen einleuchtend. Trotzdem wird es im Alltag kaum zum eigenen Vorteil genutzt. Es heißt nämlich auch, dass bereits kleine Dinge einen enormen Unterschied machen können, wenn sie derzeit noch Mangelware sind. Beispielsweise kann man seine körperliche und emotionale Gesundheit durch moderaten Sport unglaublich verbessern, wenn man davor noch absolut keine sportliche Aktivität gemacht hat.
Bereits ein täglicher 30-minütiger Spaziergang oder ein leichtes Workout zuhause, ein paar mal die Woche, wird sich enorm positiv auf Gemütslage, mentale Klarheit, Emotionen, Krankheitsprävention, Schlafqualität und generelles Selbstvertrauen auswirken. Für diese Effekte musst du nicht zum Marathonläufer werden, sondern einfach aufhören, nur auf der Couch herumzugammeln.
Genauso geht es beim Krafttraining primär um die Trainingsintensität, Ernährung und Schlafqualität. Es bringt also nichts, sich in einem Bereich in Details zu verzetteln, obwohl die anderen Bereiche gar nicht berücksichtigt werden. Manche grübeln welche Bizeps Übung die beste ist, obwohl sie nur 5 Stunden schlafen und Alkohol in rauen Mengen konsumieren. Besser ist es also in allen 3 Bereichen die Basics im Griff zu haben. BCAAs und Kreatin zu nehmen, obwohl man generell nur industriell verarbeitetes Essen zu sich nimmt, macht wenig Sinn.
Auch beim Thema persönliche Finanzen gilt das Prinzip des abnehmenden Grenznutzen. Gewinnt ein Multimillionär 1.000 €, juckt es ihn kaum, für einen durchschnittlichen Erwachsenen wär es fein, aber nicht lebensverändernd und für einen Jugendlichen wäre es eine unglaubliche Summe. Man muss sich nicht viel mit Finanzen beschäftigen, aber eine ungefähre Vorstellung von seinen monatlichen Einnahmen und Ausgaben bzw. ein automatisierter Plan zum Sparen und Investieren können wahnsinnig viel bewirken. Also gilt auch hier, wenige Dinge, die nicht viel Zeit in Anspruch nehmen machen den größten Unterschied und bringen den größten Nutzen. Das Pareto-Prinzip, benannt nach dem Ökonomen Vilfredo Pareto, sagt ähnliches aus, da 80 % des Ergebnisses mit 20 % des Gesamtaufwands erreicht werden können.
Der abnehmende Grenznutzen findet sich in fast allen Lebensbereichen. Auch in den persönlichen Beziehungen ist eine kleine Geste Gold wert, wenn sie sonst kaum vorkommt. Macht man seinem Partner seit Ewigkeiten keine Komplimente mehr, wird die Freude umso größer sein, wenn man einfach wieder mal Danke sagt oder sein Gegenüber lobt. Das soll natürlich nicht heißen, dass man niemanden loben sollte, damit sich die gelobte Person dann richtig freut, wenn es mal soweit ist. Viel mehr sollst du anderen nicht ununterbrochen Honig ums Maul schmieren, sondern wenn es angebracht ist, ein ehrliches, wertschätzendes Kompliment machen.
Such für dich selbst Bereiche im Leben, die du vernachlässigt hast und wo bereits kleine Dinge enorm viel bewirken können. Ruf beispielsweise einfach wieder mal einen Freund an, den du lange nicht mehr gesehen hast, damit klar ist, dass die Freundschaft immer noch wichtig ist. Oder nimm dir täglich 2 Minuten Zeit, um deine Wirbelsäule zu mobilisieren, wenn du den ganzen Tag sitzt.
Abschließend noch ein Zitat von Ernst Ferstl:
„Wir könnten uns viel Zeit ersparen, wenn wir zwischen wichtig und unwichtig besser unterscheiden könnten.“