Mehr Energie im Alltag

Als Kind musste ich, wie viele wahrscheinlich, Mittags immer schlafen. Ich war absolut kein Fan davon. Heute hingegen, würde ich viel dafür geben, ein Mittagsschläfchen machen zu können. Doch im deutschsprachigen Raum hat das Schläfchen ein Imageproblem. Auch die Umbenennung auf „Power Nap“, also Energie Nickerchen, hat das nicht wirklich geändert. Obwohl, denke ich, allen die positiven Effekte klar sind, nimmt sich kaum jemand die Zeit dafür. Wenn überhaupt, rühmt man sich eher damit, wie wenig man schläft.

Aus wissenschaftlicher Sicht ist es unumstritten, dass ein Nickerchen zahlreiche positive Effekte hat. Es macht uns wacher, verbessert unsere Konzentration, Reaktion und unser Gedächtnis. Außerdem hebt es die Stimmung und beugt Unfällen vor. Doch warum nutzen es dann nicht mehr Menschen? Vor allem bei jungen Menschen kenne ich sehr wenige, die sich die Zeit für ein Mittagsschläfchen nehmen.

Ich habe das Glück, dass ich das Nickerchen von meinem Vater übernommen habe. Seit Jahren mache ich fast jeden Tag ein Nickerchen von 20 Minuten. Es ist unglaublich, wie fit man nach nur so kurzer Zeit wieder ist. Ich leg mich hin, bin sofort weg und wache meist schon von alleine auf, kurz bevor der Timer losgeht.

Ort zum Schlafen

Als Student hat man den Riesenvorteil, dass man sich den Tag großteils selbst einteilen kann. Deshalb gab es zu meiner Studienzeit kaum einen Tag, wo ich kein Mittagsschläfchen gemacht habe. Das wird zugegebener Maßen im Arbeitsalltag immer schwieriger. Im Büro bin ich leider auch nicht schmerzbefreit genug, um in der Mittagspause einfach den Kopf auf den Tisch zu legen und zu schlafen.

In Japan hingegen, ist das Schläfchen am Arbeitsplatz nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht. Das Wort dafür ist „Inemuri“ und bedeutet übersetzt „anwesend sein und schlafen“. Es ist ein Zeichen dafür, dass man hart arbeitet.

Von so einer Anerkennung fürs Nickerchen sind wir noch weit entfernt. Doch ich würde definitiv gerne eine Stunde länger arbeiten, wenn ich dafür mittags die Möglichkeit habe, mich 20 Minuten hinzulegen. Das ist ein Vorteil vom Home-Office, wo die Mittagspause einfach 20 Minuten länger dauert, ich dafür aber den ganzen Nachmittag viel produktiver bin.

Der frühere Navy Seal Jocko Willink, der jeden Tag um 4:30 aufsteht, beschreibt auch wie unglaublich wichtig für ihn kurze Nickerchen im Militär waren und auch jetzt noch immer sind. Bei harten Trainingswochen nutzte er jede kurze Erholungspause um seine Füße hoch zu lagern und 6-8 Minuten zu mützen.

Ich habe keine Zeit

Die typische Ausrede ist, dass man keine Zeit dafür hat. Doch wie beim Sport, ist diese Ausrede kompletter Blödsinn. Wenn man sich die Zeit nimmt, kurz zu schlafen oder eben Sport zu treiben, bekommt man diese Zeit mehrfach zurück. Man ist viel konzentrierter und produktiver. Außerdem ist man besser gelaunt und hat mehr Spaß mit seinen Mitmenschen. Wie bei allem gilt: wenn es einem wichtig ist, findet man einen Weg, wenn nicht, findet man eine Ausrede.

Optimal wäre es, nach dem Mittagessen bzw. am frühen Nachmittag ein Schläfchen zu machen. Nach 17:00 solltest du es vermeiden, um keine Probleme beim Einschlafen zu haben.

Erlernbar wie alles andere

Wenns ums Mittagsschlaferl geht, ist die erste Frage meist: „Kannst du überhaupt so schnell einschlafen? Bei mir würd das sowieso nicht funktionieren, ich brauch ja am Abend schon eine halbe Stunde zum Einschlafen…“ Ich kann das vollkommen verstehen. Ich bin selbst jemand, der am Abend nicht sofort einschläft, da mir noch die verschiedensten Dinge durch den Kopf gehen. Trotzdem funktioniert das Nickerchen bei mir super. In nur 20 Minuten nicke ich weg, sodass es nicht unüblich ist, dass der Polster vollgesabbert ist. Danach bin ich wieder voller Energie.

Bezüglich der richtigen Zeit kommst du natürlich selbst drauf, was dir am besten tut. Üblich sind zwischen 5 und 30 Minuten. Bei mir sind es seit Jahren 20 Minuten, aber Jocko Willink schwört zum Beispiel auf 6-8 Minuten mit hochgelagerten Füßen. Wenn du die für dich passende Zeit gefunden hast, wirst du dich schnell daran gewöhnen. Ich stell mir zwar immer den Timer auf 20 Minuten, wache aber mittlerweile immer schon kurz davor auf. Glaub also nicht, dass es bei dir nicht funktioniert, nur weil du es noch nie regelmäßig gemacht hast. Vielleicht schaffst du es zu Beginn noch nicht, dass du sofort wegnickst, aber du gewöhnst dich enorm schnell daran. Deshalb zeigen Studien auch, dass Leute die regelmäßig ein Nickerchen machen, einen positiveren Effekt daraus ziehen.

Auf keinen Fall länger schlafen

Das Wichtigste ist, nicht länger als eine halbe Stunde zu schlafen. Den meisten ist es sowieso schon mal passiert, dass sie am Nachmittag mal zu lange geschlafen haben und wissen wie träge man danach ist. Ich kann das definitiv unterschreiben. Wenn ich meine üblichen 20 Minuten schlafe, bin ich danach wieder völlig fit, aber wenn ich eine Stunde schlafe, weiß ich nach dem Aufwachen nicht mehr welche Jahreszeit gerade ist.

Geheimwaffe beim Lernen

Der Schlaf hilft natürlich enorm, um Gelerntes zu verarbeiten. Deshalb solltest du nach dem Lernen am Abend auch nicht mehr fernsehen, sondern direkt schlafengehen, um sich die Dinge besser zu merken. In Prüfungsphasen sind Nickerchen eine wahre Geheimwaffe. An der Uni gibt es jedes Semester 2-3 Prüfungswochen, wo man das Gefühl hat, dass sich alles hinten und vorne nicht ausgeht. In diesen Tagen gab es bei mir nichts außer Lernen, Sport und Essen.

Interessant wird das Schläfchen, wenn du Unmengen an Stoff in kurzer Zeit lernen musst. Ich habe immer gelernt bis ich müde und träge wurde. Dann den Timer auf 5-10 Minuten gestellt und mich kurz hingelegt. Dann wieder zurück zum Lernen und diese Durchgänge bis am Abend wiederholen, mit einer Pause für Sport und gelegentlichen Pausen, um Nahrung zu sich zu nehmen. Die Schläfchen helfen dem Hirn, sich den Stoff zu merken und du bleibst fitter und konzentrierter. Außerdem machst du somit Pausen, ohne dabei auf Social Media zu schauen, was fürs Lernen kontraproduktiv ist.

Natürlich ist das nichts, was man über mehrere Wochen macht, aber in der stressigsten Zeit an der Uni ist es Gold wert. Es hört sich natürlich auch nicht nach viel Spaß an, aber welche Prüfungsphase ist schon super lustig? Außerdem ist die Alternative, dass man sich ständig fragt, wie sich alles ausgehen soll, was auch nicht angenehm ist.

Ich kann dir nur empfehlen, auch ein Schläfchen von 20 Minuten pro Tag einzubauen. Vielleicht dauert es am Anfang, bis du so schnell einnicken kannst, aber es ist definitiv eine Fähigkeit, die langfristig enorm wertvoll ist.

Wenn du dich generell mit dem Thema Schlaf beschäftigen möchtest, kann ich diese beiden Bücher empfehlen:

Jeder Mensch kann schlafen lernen“ von Shawn Stevenson, Host des Podcasts „The Model Health Show“ (Englisches Buch: „Sleep smarter„)

Das große Buch vom Schlaf“ von Dr. Matthew Walker, Direktor des Schlaflabors der UC Berkeley (Englisches Buch: „Why we sleep„)

Abschließend noch ein Zitat von Carrie Snow:

„No day is so bad it can’t be fixed with a nap.“

Wenn du auf der Suche nach neuen Büchern bist, kann ich dir diese Bücherliste empfehlen. Über eine Anmeldung zum Newsletter würde ich mich enorm freuen.


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