Wir wären wohl alle gerne in einer besseren finanziellen Situation. Egal wo wir im Leben stehen — ob Karrierestart nach der Uni, 30-jährige Berufserfahrung oder Multimillionär. Wir sind überzeugt, dass wir noch mehr Geld brauchen, um endlich glücklich zu sein. Doch was hält uns davon ab, unsere finanzielle Situation in den Griff zu bekommen? Warum bauen wir uns nicht ein Vermögen auf, das uns Zufriedenheit und Gelassenheit bringt? Geld spielt eine zentrale Rolle in unserem Leben und trotzdem beschäftigen wir uns kaum damit. In diesem Artikel geht es deshalb um die wahrscheinlich wichtigste Fähigkeit für finanziellen Erfolg.
Wir machen uns das Leben schwer
Was sind die wichtigsten Fähigkeiten im Zusammenhang mit persönlichen Finanzen? Wahrscheinlich denken wir sofort an Mathematik, Zinsrechnung oder Wissen über die verschiedensten Investitionsformen.
Doch wenn es um unsere persönlichen Finanzen geht, spielt all das eine untergeordnete Rolle. Der entscheidende Faktor ist unsere Psychologie. Sind wir glücklich? Was versuchen wir zu kompensieren? Wie gehen wir mit Bedürfnissen um? Nutzen wir unser Geld um anderen mit Statussymbolen zu imponieren? Versuchen wir durch regelmäßige Käufe der Langeweile unseres Lebens zu entkommen?
Wir jagen ständig neuen Dingen hinterher und vergessen dabei, das zu schätzen, was wir bereits haben.
Vor einigen Jahren hatten wir materielle Wünsche, die wir uns in der Zwischenzeit erfüllt haben. Sind wir deshalb glücklich? Natürlich nicht.
Die Ziellinie hat sich verschoben und wir liebäugeln bereits mit dem nächsten netten Spielzeug, das uns endlich glücklich machen soll.
Warum sind wir nicht einfach zufrieden mit dem was wir haben? Und warum lernen wir nicht aus unseren Erfahrungen, dass uns materielle Käufe allein langfristig nicht glücklich machen?
Der Grund dafür ist, dass wir unseren Wohlstand nie absolut betrachten, sondern immer relativ. Wir streben danach, unsere Lebenssituation zu verbessern. Egal ob von einem niedrigen Ausgangsniveau, wie zu Beginn unserer Karriere mit unserem ersten Gehalt oder wenn wir uns bereits ein gewaltiges Vermögen aufgebaut haben. Der wohlhabende Mensch mit einem Vermögen von 5 Millionen ruht sich nicht darauf aus, sondern strebt nach 10 Millionen.
Alles ist relativ
Im Jahr 2004 interviewte die New York Times Stephen Hawking, den Physiker, dessen Nervenkrankheit ihn paralysierte und ihm die Fähigkeit zu Sprechen nahm — und das bereits im Alter von 21 Jahren.
„Sind Sie immer so fröhlich?“ fragte die Times.
„Meine Erwartungen wurden im Alter von 21 auf Null reduziert,“ antwortete Hawking. „Alles seitdem ist ein Bonus.“
Objektiv betrachtet haben wir es alle um ein Vielfaches besser als Prof. Hawking. Trotzdem wird es schwer Menschen zu finden, die glücklicher und zufriedener sind, als er es zu Lebzeiten war.
Auch die schlimmste Situation kann durch extrem niedrige Erwartungen kompensiert werden. Dasselbe gilt leider auch umgekehrt: Eine großartige Lebenssituation kann durch utopische Erwartungen miserabel erscheinen.
Nicht lange nach dem Interview mit Prof. Hawking, befragte die Times auch Gary Kremen, den Gründer der Dating-Plattform Match.com. Zu diesem Zeitpunkt war Kremen 43 Jahre alt und hatte ein Vermögen von 10 Millionen Dollar. Somit gehörte er zum reichsten halben Prozent der USA und zum obersten Bruchteil eines Prozents im weltweiten Vergleich.
Im Silicon Valley hingegen, war er nur ein Tech-Millionär von vielen. “You’re nobody here at $10 million,” sagte er. Die Times schrieb: “Er arbeitet weiterhin 60 bis 80 Stunden pro Woche, weil er nicht das Gefühl hat, auch nur ansatzweise genug zu haben, um nachzulassen.”
Worauf ich hinaus will ist nicht, dass Stephen Hawking ein Mönch war, der den Sinn des Lebens verstanden hat und Gary Kremen, durch seinen Reichtum abgehoben ist. Der entscheidende Punkt ist, dass sich alles um Erwartungen dreht.
Außerdem ist Kremens Situation die weitaus üblichere. Sie ist natürlich. So natürlich, dass viele von uns wahrscheinlich auf demselben Pfad wandern, egal ob mit 100.000 Euro oder 10 Millionen.
Wir machen den Fehler zu glauben, dass, wenn wir das Vermögen von Gary Kremen hätten, wir anders handeln würden. Wir würden weniger Zeit in unsere Karriere investieren, um mehr Zeit mit unseren Liebsten zu verbringen. Doch wenn wir das mit 100.000 nicht machen, würden wir es auch mit einer Millionen nicht tun.
Was wir zuerst in den Griff bekommen müssen, sind unsere Erwartungen. Denn die Inflation unserer Erwartungen ist ein weit größeres Problem als die tatsächliche Inflation. Hier kommt der Begriff “Lifestyle-Inflation” ins Spiel.
Je mehr wir verdienen, desto mehr geben wir aus. Nach nur wenigen Monaten haben wir uns allerdings an unsere neue Lebenssituation gewöhnt. Sie ist zur Norm geworden und wir schätzen all die großartigen Dinge, die Geld uns ermöglicht, nicht mehr.
Noch schwieriger wird die Situation, wenn wir kein ausreichendes Selbstvertrauen haben und deshalb versuchen, unser Vermögen durch Statussymbole zur Schau zu stellen. Lies dazu auch den Artikel: Der Schlüssel für mehr Selbstvertrauen.
Einer der wertvollsten Vermögenswerte ist die Fähigkeiten, niemanden beeindrucken zu müssen.
Allerdings gibt es noch eine wichtigere Fähigkeit für finanziellen Erfolg.
Die Ziellinie stoppen
Der wichtigste finanzielle Skill ist, die Ziellinie zu stoppen. Das heißt, unser Lebensglück nicht mehr von materiellen Wünschen abhängig zu machen. Doch wie stellen wir das an?
Ich kann von mir persönlich behaupten, dass ich wahnsinnig glücklich bin und meinen ganz normalen Alltag genieße (lies dazu: Wie sieht dein idealer Dienstag aus?). Nicht nur die Wochenenden und Urlaube.
Deshalb habe ich kaum materielle Wünsche. Wenn ich tatsächlich etwas finden würde, das meine Lebenssituation merklich verbessert, würde ich es mir kaufen.
Hier drei Schritte, die mir dabei geholfen haben, meine materielle Ziellinie, vielleicht noch nicht ganz zu stoppen, aber zumindest deutlich zu verlangsamen:
Das Führen einer “Wish List”
Ich habe schon lange eine Wish List in Notion, dem Notizprogramm, in dem ich einen Großteil meines Lebens organisiere. Diese Liste ist ursprünglich entstanden, um eine Antwort auf die Frage zu haben, was ich mir zu Weihnachten oder zum Geburtstag wünsche. Denn wer kennt es nicht? Wochen davor hatten wir unzählige Ideen, was wir brauchen könnten, und wenn es dann so weit ist, fällt uns plötzlich nichts mehr ein.
Deshalb habe ich, wann immer ich mir dachte, “Das wäre fein” oder “Das hätte ich gern”, es zu meiner Wish List hinzugefügt.
Doch heute hat die Liste eine weit wichtigere Funktion. Sie hilft mir meine Bedürfnisse besser nachzuverfolgen.
Das ist einerseits hilfreich, da wir manche Dinge gar nicht wirklich wollen. Wir schreiben sie auf die Liste und schon zwei Wochen später merken wir, dass wir sie eigentlich nicht brauchen.
Andererseits macht die Liste unsere Wünsche bewusster. Wir sehen also, dass wir einen früheren Wunsch abgehakt haben und nach wenigen Monaten diesen Gegenstand nicht einmal mehr schätzen. Die Liste hilft also auch beim nächsten Schritt.
Dankbarkeit
Dankbarkeit ist der am wenigsten konkrete Schritt, doch sie ist eine wahre Wunderwaffe im Zusammenhang mit unserem empfundenen Lebensglück.
Alleine das Wissen darüber, dass materielle Upgrades in unserem Leben nach rund drei Monaten keinen spürbaren Einfluss mehr auf unsere Lebensfreude haben, ist hilfreich. Dies gilt sogar für große Veränderungen, wie eine neue Wohnung oder ein Haus.
Mir war diese Zahl bereits vor meinem Einzug bewusst und ich wollte unbedingt vermeiden, dass ich meine Wohnung als selbstverständlich betrachte. Nun lebe ich schon knapp fünf Jahre darin und bin immer noch begeistert. Doch dafür braucht es eine bewusste Entscheidung, die Dinge zu schätzen, die wir uns früher gewünscht haben.
Eine weitere Möglichkeit, um dankbarer durchs Leben zu gehen, ist, sich jeden Abend vorm Einschlafen drei Dinge bewusst zu machen, für die wir dankbar sind. Egal ob etwas Großes, wie unsere Familie, oder ein kleines Erlebnis des Tages, wie ein guter Kaffee in der Sonne.
Du wirst sehen, schon nach wenigen Tagen beginnt dein Gehirn automatisch, nach Dingen zu suchen, für die du dankbar sein kannst. Es ist ähnlich wie beim Autokauf: Sobald du über ein bestimmtes Modell nachdenkst, siehst du es plötzlich überall. Deine Lebenssituation hat sich nicht verändert, wohl aber dein Blick auf die Welt.
Und eine dankbarere Perspektive ist definitiv erstrebenswert.
Fordere dich heraus
Der wohl beste Weg, um frei von materiellen Wünschen zu sein? Arbeite an harten, herausfordernden Zielen die dir wichtig sind. Egal ob ein Studium, das Erlernen einer neuen Fähigkeit oder eine sportliche Herausforderung. Wir müssen uns selbst in unangenehme, harte Situationen bringen.
Leider wird uns in unserer Gesellschaft häufig eingeredet, dass ein gemütliches Leben erstrebenswert sei. Das Gegenteil ist der Fall (lies dazu: Eine der größten Herausforderungen unseres modernen Lebens). Das Bestehen von schwierigen Situationen bringt uns Zufriedenheit und stärkt unser Selbstvertrauen.
Kaufen hingegen ist häufig nur ein Versuch unserem Leben etwas Würze zu verleihen. Kurzfristig bekommen wir den ersehnten Dopamin-Boost. Doch das ist nichts im Vergleich mit der Freude und Zufriedenheit die wir verspüren, wenn wir an schweren Zielen arbeiten und Fortschritt erzielen.
Das Entscheidende beim Setzen neuer Ziele ist, dass es sich nicht um finanzielle Ziele oder bestimmte Gegenstände handelt. Vielmehr sollen es Errungenschaften sein, die man nicht kaufen kann. Eine bestimmte Fähigkeit zu erlernen, ein wertvoller Teil einer Community zu werden oder einen gesunden, fitten Körper aufzubauen.
Auch dort wird sich die Ziellinie verschieben. Allerdings wachsen wir dabei mit jedem Schritt. Anstatt immer mehr unseres hart erarbeiteten Geldes auszugeben, bauen wir ein Leben reich an Erfahrungen auf.
Versteh mich nicht falsch. Es ist völlig in Ordnung, Geld auszugeben! (lies dazu: Die Kunst Geld auszugeben) Es ist nicht das Geld ausgeben an sich, das problematisch ist, sondern die finanziellen Ziele als alleinige Motivation zu haben.
Geld sollte vielmehr ein Mittel zum Zweck sein, ein Leben nach unseren Vorstellungen zu gestalten.
Die wahre Freiheit liegt nicht im Streben nach immer mehr, sondern im Fokussieren auf das, was wirklich zählt. Setz dir ambitionierte Ziele, wachse an deinen Herausforderungen und gestalte ein Leben, das dich wirklich erfüllt.
Mein Lieblings-Podcast in puncto Finanzen ist The Morgan Housel Podcast. Morgan Housel ist außerdem der Autor der großartigen Bücher “The Psychology of Money” und “Same as Ever”.
Weiterlesen:
“Die 4 Vermögensstufen: Wie Geld dich glücklich macht”
“Wie Du finanziell unabhängig wirst”
“5 Arten dein Geld auszugeben und welche dich wirklich glücklich machen”
Buchempfehlungen
Essentialismus – Greg McKeown
Über die Psychologie des Geldes – Morgan Housel
Zum Abschluss noch ein schwedisches Sprichwort:
„He who buys what he does not need steals from himself.“
Hier eine Bücherliste, falls du auf der Suche nach neuen Büchern bist. Wenn du noch nie Hörbücher probiert hast, kann ich dir das Probeabo von Audible empfehlen. Kostet nichts, ist jederzeit kündbar und du kannst dir das Buch auch nachher noch behalten.
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