Sind wir alle kurzsichtig?

Wenn du des Öfteren Dinge aufschiebst, bist du bewusst oder unbewusst, auch stark mit dem ökonomischen Konzept des „Present Bias“ vertraut. Der Present Bias beschreibt unsere Tendenz kleinere Belohnungen die wir sofort bekommen, größeren Belohnungen in der Zukunft vorzuziehen. Deshalb werden Individuen in der Ökonomie oft als myopisch, also kurzsichtig, bezeichnet.

Leider scheint es, als wäre es ein unveränderliches Naturgesetz, dass Dinge die uns langfristig gut tun, kurzfristig unangenehm sind. Haselnuss-Eis schmeckt besser als Brokkoli. Neue Kleidung zu kaufen macht mehr Spaß als für die Zukunft zu sparen und zu investieren. Videospiele sind reizvoller als Schreiben oder Programmieren.

Der Present Bias führt dazu, dass wir ständig unseren Genuss in der Gegenwart optimieren. Das führt dazu, dass wir die schwierigen Dinge, die in Zukunft zu Erfolg führen würden, ständig aufschieben.

Wenn wir nicht gesund essen, sparen und unsere langfristigen Ziele verfolgen, graben wir uns immer tiefer in ein Loch, aus dem unser Zukunfts-Ich dann einen Weg hinaus finden muss.

Gegenwarts- vs. Zukunfts-Ich

Jeder war vermutlich schon in einer Situation, in der ein großes, längerfristiges Projekt zu bewältigen war. Ein typisches Beispiel wäre eine Forschungsarbeit an der Uni.

Was wäre der rationale Umgang mit dem Projekt?

Man würde einfach sofort in kleinen Schritten starten. Das hat den Vorteil, dass man ein gutes Gefühl hat, da man gut in der Zeit liegt und so in der Zukunft keinen Stress haben wird. So kann man das Projekt Schritt für Schritt, ohne an die Grenzen eines Nervenzusammenbruchs zu kommen, entspannt fertigstellen.

Doch was machen 99 % von uns tatsächlich?

Wir überlassen das Problem unserem Zukunfts-Ich. Es sind ja sowieso noch 2 Monate bis zur Abgabe. Das geht sich noch leicht aus. Man spürt zwar den Hauch des schlechten Gewissens je näher die Deadline kommt, doch dafür hat man in der Gegenwart die Möglichkeit, all die Dinge zu tun, die wir gerne tun.

Kommt die Deadline dann so bedrohlich nahe, dass man Gefahr läuft es nicht mehr zu schaffen, dann wird das Unbehagen groß genug um zu starten. Dann verflucht man sich selbst, warum man nicht früher damit angefangen hat.

Dieses Problem ist in so vielen Lebensbereichen der Fall. Ständig schieben wir Dinge, die wichtig aber unangenehm sind, auf. Allerdings gibt es im wahren Leben keine Deadline wie an der Uni und man startet nie mit den schweren Projekten die uns wichtig sind. Doch warum sabotieren wir uns selbst?

Wir reden uns ständig ein: „Es ist gerade wegen XY so stressig, aber in zwei Wochen wird es wieder leichter.“ Doch das ist nie der Fall! In zwei Wochen gibt es andere Dinge, die ebenfalls viel Zeit erfordern.

Deshalb nutzen auch so viele Studenten den ersten Prüfungsantritt nicht: „Derzeit ist es so stressig, da kann ich nicht lernen, aber bei der Nachklausur in einem Monat ist es viel leichter.“ Doch in einem Monat ist es garantiert nicht leichter. Man drückt sich einfach davor, endlich anzufangen.

Ich habe in meiner Zeit an der Uni nicht ein einziges Mal die Nachklausur in Anspruch genommen. Doch natürlich habe ich auch mit mir selbst gehadert, ob nicht der Termin in einem Monat einfacher wäre, da dort weniger los ist. Wir müssen uns das Problem einfach bewusst machen, dass der Körper gerne nach dem Weg des geringsten Widerstands sucht, auch wenn dieser Weg langfristig oft viel steiniger ist.

Hilf deinem Zukunfts-Ich

Wenn du gleich in der Früh trainieren gehen willst, aber weißt, dass du gerne im Bett bleibst, dann leg dir die Sportsachen schon am Abend davor heraus und mach dir mit einem Freund eine bestimmte Zeit aus.

Wenn du fokussiert arbeiten möchtest und leicht abgelenkt wirst, dann schalte dein Handy auf „Nicht stören“ oder leg es in einen anderen Raum.

Wenn du Probleme hast, dass am Ende vom Geld immer noch soviel Monat übrig ist und du nie etwas sparst/investierst, dann kannst du einfach einen automatisierten Sparplan einrichten, der das Geld abbucht, kurz nachdem du dein Gehalt bekommst.

Wenn du weißt, dass du dich bei Süßigkeiten schwer beherrschen kannst, dann kauf einfach keine. Stell Nüsse oder Obst präsent auf den Tisch, denn man greift gerne zu der einfachsten Möglichkeit.

Wenn du gerne mehr Zeit fürs Gitarre spielen investieren würdest, dann mach es ebenfalls zur leichteste Option. Stell den Gitarrenständer gleich neben die Couch. Willst du mehr lesen, dann leg das Buch auf die Couch, damit es griffbereit ist.

Meist wissen wir von uns selbst, in welchen Bereichen wir anfällig sind bzw. wofür wir gerne mehr Zeit investieren wollen. Deshalb sollten wir nach Wegen suchen, damit das gewünschte Verhalten in Zukunft so einfach wie möglich ist.

Fokus auf den perfekten Tag

Es klingt wahrscheinlich Paradox, den Fokus auf einen Tag zu legen, wenn wir grundsätzlich zu kurzfristig denken. Doch auch das kann ein probates Mittel sein, denn so verschieben wir nicht alles zum Zukunfts-Ich.

Die Idee ist den Tag bereits am Vortag zu planen und dann versuchen, das meiste aus dem einen Tag herauszuholen. Der Star-Psychologe Jordan Peterson empfiehlt den perfekten Tag im Kalender einzutragen. Natürlich auch mit den Belohnungen für die harte Arbeit. Er sagt aber auch „it is not a bloody prison“, also man muss nicht um jeden Preis am Plan festhalten. Doch selbst wenn du nur 70 % des Plans einhältst ist es noch um einiges besser als keinen Plan zu haben.

Wie schon öfter zitiert sagt Will Smith, wenn man eine Mauer bauen will: „lay this brick as perfectly as a brick can be laid“. Man fokussiert sich also nur auf das, was man gerade macht und versucht es so gut wie möglich zu machen.

James Lawrence hat 101 Ironman Triathlons in 101 Tagen vollbracht, was absolut wahnsinnig ist. Nach 10-15 wollte er aufhören doch sein Team hat ihm geraten, sich immer nur auf den einen Tag zu fokussieren. So schaffte er die 100 die er sich vorgenommen hatte und sogar einen mehr, den er nur für sich selbst gemacht hat. So hält er mit großem Abstand den Weltrekord.

Ein großartiges Buch dazu ist von John C. Maxwell „Das HEUTE zählt“ bzw. auf englisch „Today Matters„:

Balance finden

Natürlich kann man nicht nur für die Zukunft leben und sich ununterbrochen fordern. Es ist wichtig die Balance zu finden, um die Gegenwart zu genießen, aber nicht auf Kosten des Zukunfts-Ichs.

Ein großer Teil dabei ist die Einstellung. Fokussiere dich nicht nur auf die endgültigen Erfolge. Freu dich über ein erfolgreiches Training. Sei stolz, wenn du 1.000 Wörter an einem Tag geschrieben hast. Du musst lernen den Prozess zu lieben und nicht nur das Endresultat.

Stell dir vor, wo du in Zukunft hin willst und arbeite dafür. Es ist ein gewaltiges Gefühl, wenn man am Abend im Bett liegt und weiß, man hat den Tag richtig genutzt und viel erreicht.

Wenn du Motivationsprobleme hast und ständig Dinge aufschiebst, sind das die beiden besten Bücher, die ich empfehlen kann:

Can’t hurt me – David Goggins

The War of Art – Steven Pressfield

Abschließend noch ein Zitat von Sean Patrick Flanery:

„Do something today that your future self will thank you for.“

Hier eine Bücherliste, falls du auf der Suche nach neuen Büchern bist. Wenn du noch nie Hörbücher probiert hast, kann ich dir das Probeabo von Audible empfehlen. Kostet nichts, ist jederzeit kündbar und du kannst dir das Buch auch nachher noch behalten.

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